Das Strombad Kritzendorf wurde 1903 eröffnet und innerhalb kürzester Zeit ein beliebtes Naherholungsgebiet : die Riviera Wiens. Mit der 1870 eröffneten Franz-Josephs-Bahn relativ leicht zu erreichen.
Das Strombad entwickelte sich zum Ruhepol für Menschen aus allen Schichten: Künstler, Beamte und wohlhabende Geschäftsleute waren ebenso unter den Sonnenhungrigen zu finden wie einfache Arbeiter. Dieser Mikrokosmos der Sommerfrischler fand auch 1938 ein jähes Ende, als 80 Prozent der Häuser arisiert wurden.
In den Jahren nach dem Krieg führte das Strombad ein Schattendasein. In den 70er Jahren wurde der Badebetrieb gar eingestellt. Studenten und junge Menschen entdeckten erst in den 90er Jahren das Strombad neu: Sie konnten bequem hinradeln, hatten einen Rasenliegeplatz und es war und ist kein Eintritt zu bezahlen. Dass sich die Wasserqualität der Donau in den letzten Jahren deutlich verbessert hat, war kein Nachteil. Die rustikalen Heurigen in Kritzendorf bürgen für einen gemütlichen Ausklang eines Badetages. Auch die Kabanen im Strombad sind weitestgehend wieder bewohnt.
Das Ensemble erinnert etwas an eine Schrebergartenidylle aus einem Ulrich-Seidl-Film. Einige der Bewohner haben ihre Plastiksessel und -tische vor die Tür gestellt und schnapsen mit Nachbarn. Einzig das Damoklesschwert der Überschwemmung stört diese Idylle. Aber das kann die überaus relaxte Stimmung eines sommerlichen Badetags nicht schmälern. Wenn die riesigen Schleppkähne mit den Flaggen aller Herren Länder und die internationalen Kreuzfahrtschiffe auf der Donau vorbeigleiten, dann versteht man die diesem Platz mit dem Namen Kritz les bains liebevoll zugeschriebene Weltläufigkeit.
(Auszugsweise, Wiener Zeitung, 23. Juli 2010)